15. Erzählcafé
Zwischen Heim und Hilfen. Geschichte der Jugendfürsorge
Nicht nur die Geschichte des Jugendamtes, sondern auch die der Jugendhilfe wurden beim letzten Erzählcafé thematisiert, das vom Fachbereich Kultur und Stadtarchiv sowie dem Fachbereich Jugend und Familie zum 100-jährigen Jubiläum des Amtes am 5. November organisiert wurde. Historiker Dr. Franz Jungbluth hat die Veranstaltung moderiert und brachte gleichzeitig als Autor der neu erschienenen Jubiläumsschrift historische Expertise mit in das Podium. Dieses war nicht nur mit Sara Braddick als Abteilungsleitung der Hilfen für Jugend und Familien bei der Stadt sowie Ulrike Boden als Leiterin der Kreisgeschäftsstelle der AWO mit zwei Expertinnen besetzt, die aus erster Hand über ihre Arbeit berichteten, sondern auch mit Volker Richter als Mitglied des Jugendhilfeausschusses mit 30-jähriger Erfahrung aus der Ratsarbeit sowie der ehemaligen Betroffenen Denise Karwath, die die Hilfe des Jugendamtes in Anspruch nahm und heute selbst einen Beruf im sozialen Umfeld ausübt.
Waren zum Zeitpunkt der Einrichtung des damaligen Jugendamtes nur zwei Mitarbeitende angestellt, sind es heute knapp 70, die den Schutz der Kinder und Jugendlichen in und um Gütersloh gewährleisten, berichtete Jugendamtsleiterin Sara Braddick. Diese Hilfe nahm auch Denise Karwath in ihrer Kindheit und Jugend in Anspruch: Mit gepackten Koffern ging die damals 15-Jährige von sich aus zum Jugendamt und bat um die freiwillige Inobhutnahme. Freunde nahmen ihr die Sorge und Vorbehalte vor dem Jugendamt. Inzwischen ist sie selbst Erzieherin und sagt: „Ich habe mich immer aufgehoben und unterstützt gefühlt. Ich möchte das auch zurückgeben können.“
Gegen das Klischee der Behörde, die einem die Kinder wegnehmen möchte, plädiert auch Sara Braddick. Wichtig sei es insbesondere, Hemmschwelle abzubauen und den Familien die Sorgen und Ängste vor einem Kontakt zu nehmen, damals wie heute. Das ist auch für AWO-Kreisgeschäftsführerin Ulrike Boden wichtig, denn „viele Kinder und Jugendliche können oft nicht sagen, wenn Sie Hilfe brauchen“. Die Kinder mit den Problemen und Bedarfen zu sehen, das muss auch in Zeiten von schwierigen Haushaltssituationen und dem Abbau von stationären Plätzen möglich sein. An jungen Menschen zu sparen findet sie gefährlich und appelliert: „Es darf kein Kind verloren gehen!“
Einen historischen Rückblick gibt Boden auch auf die gewachsene Zusammenarbeit zwischen freien Trägern und der Professionalisierung der Jugendhilfe. Wichtig seien dabei insbesondere das Netzwerken, die gemeinsame Abstimmung und die regelmäßige Kommunikation geworden. Der gemeinsame Leitspruch lautet: „Hilfe statt Strafe“. Dem stimmt auch Volker Richter zu, der vor über dreißig Jahren als Ratsmitglied das erste Mal im damaligen Jugendwohlfahrtausschuss teilnahm. Er war viele Jahre Vertreter des Stadtjugendrings und ehrenamtlicher Kommunalpolitiker. Seine eindrücklichste Erfahrung aus der Zeit: der erste erfolgreich eingebrachte eigene Antrag für eine Richtlinie zur Förderung der Jugendarbeit.
Kontakt
Lilian Wohnhas
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